Gründer-Portrait

Von der Faszination zum Bier zur Sächsischen Spirituosenmanufaktur. Wie kam es dazu, was treibt Martin Wagner an und was sind seine Ziele? Was sind unvergessliche Momente und welche Hürden hat er gemeistert? Im Interview steht Martin Wagner mir, seiner Partnerin, Rede und Antwort. Er verrät sogar seine geheime Lieblingsspirituose.

Warum wolltest du Alkohol herstellen?

Ich wollte immer schon einen Beruf erlernen, der mit Biologie oder Chemie zu tun hat. Ich war immer schon gut in diesen Fächern und die Themen haben mich interessiert. So hat mich die Getränke- und Bierherstellung am meisten fasziniert. Deshalb habe ich mich zur Lehre in einem Traditionshandwerk, dem Brauer und Mälzer entschieden.

Wie bist du vom Bier zur Spirituose gekommen?

Nach Abschluss meiner Lehre bin ich als junger Facharbeiter in die Spirituosenindustrie gewechselt. Mir wurde eine interessante Stelle angeboten. Ich habe dort als Mitarbeiter angefangen und konnte mich schnell zum Abteilungsleiter hocharbeiten.

Was hat dich an der Industriearbeit gestört?

Ich konnte nicht kreativ arbeiten, da die Prozesse und Strukturen vorgeschrieben und immer gleich sind. Für mich war das zu langweilig, immer das Gleiche zu machen.

Warum wolltest du ein eigenes Unternehmen? Warum keine Anstellung in einem Manufakturbetrieb?

Ich kann frei entscheiden, was ich machen will, wann und wie. Klar, ich hätte auch ins mittlere Management gehen können, aber das bedeutet wieder keine Entscheidungsfreiheit.

Was verbindet dich mit Kirschau, warum hast du hier deine Sächsische Spirituosenmanufaktur gegründet?

Ich bin Kirschauer und wohne mein ganzes Leben schon hier. Ich fühle mich mit dem Ort verbunden.

Hat der Standort Nachteile?

Vor meiner Gründung bin ich verschiedene Szenarien durchgegangen. Ein Nachteil ist natürlich, es ist weit abgelegen. Transportunternehmen haben ständig Probleme, mich zu finden. Der Hauptvorteil ist jedoch der Kostenfaktor. Da Miete und Grundstückspreise wesentlich günstiger sind. Die Logistik ist sehr umfangreich und meine Partner und Zulieferer sind hier in der Region.

Wie kam es zum Namen?

Ich wollte einen Namen, wo klar erkennbar ist, was ich mache.
Regionalität = Sächsisch.
Was mache ich = Spirituosen
In reiner Handarbeit = Manufaktur.
Wir wollten keine Abkürzung oder künstlichen Namen, deshalb ist es die Sächsische Spirituosenmanufaktur. Es sagt alles aus.

Warum Sächsische und nicht Deutsche oder Oberlausitzer Spirituosenmanufaktur?

Deutschland ist zu überregional. Lausitz oder Kirschau ist zu regional. Da ich Partner in anderen Landkreisen habe.

Was ist deine Motivation?

Ich will im Beruf das machen, was mir Spaß macht. Wenn es zudem für ein Einkommen reicht, dann ist das super. Ich bin gern auf Arbeit, es fühlt sich nicht wie Arbeit an.

Die häufigste Frage ist, kannst du davon leben?

Ja, ich kann davon leben. Mit dem Geschäftsmodell wird man jedoch nicht reich. Durch die Struktur und Philosophie sind Grenzen gesetzt. Das ist auch gut, denn es macht die Produkte einzigartig.

Was war bisher dein schönster Moment mit der Firma?

Wenn neue Kunden hinzukommen, die von meinen Produkten überzeugt sind oder durch Andere empfohlen worden. Das nimmt mir die Überzeugungsarbeit ab und ist natürlich Bestätigung und Anerkennung für meine Arbeit.
Ein Highlight war die Einweihung der eigenen Anlagen und die Eröffnung meines Produktionsstandortes.
Der Gründerpreis hat mir ebenfalls gezeigt, dass ich mit meinem Konzept auf dem richtigen Weg bin.

Was hast du mit dem Preisgeld gemacht?

Reinvestiert in neue Holzfässer für meine fassgelagerten Destillate.

Was war ein Tiefschlag?

Es gibt verschiedene Tiefschläge. Das gehört dazu und ich kann aus diesen lernen. Oft muss ich jahrelang experimentieren, bis ein Produkt soweit ist. Das ist teilweise deprimierend. Ärgerlich waren die Erfahrungen mit dem Vertrieb. Hier bin ich die letzten Jahre ordentlich auf die Nase geflogen.

Welche Hürden hast du?

Was ich deutlich unterschätzt habe, ist der riesige bürokratische Aufwand, den ich für Behörden machen muss. Von Steuern, Zoll etc. Das macht leider ein Drittel der gesamten Arbeitszeit aus, die ich mich nicht meinen Produkten widmen kann.

Was macht dir mehr Spaß, die Likör oder Destillat Herstellung?

Mir macht beides viel Spaß. Dadurch und durch die Vielzahl an Produkten habe ich Abwechslung. Ich kann es mir nicht vorstellen, immer nur einen Likör oder Destillat herzustellen.
Mein geheimer Liebling ist die Obstbrandproduktion. Zum einen mag ich persönlich Obstbrände sehr gern. Zum anderen ist das Feld hart umkämpft und es ist besonders reizvoll, hier herauszustechen und Erfolge zu erzielen. Was ich gern mache, sind seltene und schwierig herzustellende Brände.

Was war für dich der schwierigste Brand?

Wildobst-Brände. Da sie nur selbst gepflückt werden können. Beerenobst ist sehr teuer, die Alkoholausbeute ist gering und es kann viel schief gehen. Es ist ein hohes Risiko dabei. Wenn es aber gelingt, dann ist es unbeschreiblich.

Du hattest mal einen Kartoffelbrand. Was ist damit?

Ich mag gern Kartoffeln essen, aber als Brand nicht trinken. Es hat mir nicht geschmeckt. Anders ist es beim Mischbrotbrand. Der Brotbrand ist ein Topprodukt geworden. Ich hätte nie gedacht, dass man Brot so geschmacksintensiv hinbekommt.

Hast du ein Lieblingsprodukt in deinem Sortiment?

Der Sauerkirschbrand. Der Geschmack und Geruch sind sehr intensiv.

Wenn du von deinem Unternehmen erzählst, müssen die Leute oft schmunzeln und fragen, wie das mit dem selbst Trinken ist. Wie viel Alkohol trinkst du während der Arbeit?

Ich trinke keinen Alkohol während der Arbeit. Während der Destillation kann man die meisten Sachen über den Geruch machen. Die sensorische Prüfung beschränkt sich auf das Befeuchten der Zunge.

Wie fühlst du dich als junger Gründer in der Oberlausitz?

Ich fühle mich gut. Es ist eine strukturschwache Region. Alle erzählen, hier muss was passieren. Eigentlich sollten die Kommunen und Politiker froh sein, dass sich Unternehmen hier ansiedeln. Sie sollten die Vorhaben mehr unterstützen. Zum Beispiel Gebäude und Flächen inklusive Erschließung zur Verfügung stellen. Am Anfang geht das ganze Startkapital nur für Miete drauf. Besser wäre es, man könnte sich auf die Produktion oder Dienstleistung konzentrieren, damit die Unternehmung laufen kann.
Ich habe das auch schon teilweise bei politischen Veranstaltungen weitergetragen. Es wurde aufgenommen.

Du managt alles allein – die Herstellung, teilweise den Vertrieb, das Büro und die Beschaffung. Wie schaffst du das?

Man muss sich als Selbstständiger bewusst sein, dass es keine 38 Stundenwoche gibt. Ich versuche, alles sinnvoll zu strukturieren, um mich auf meine Kernprozesse zu konzentrieren.

Bei deinen Publikationen schreibst du „wir“. Wer ist „wir“?

Das bin ich und ein kleines Team, welches mich unterstützt. In erster Linie meine Partnerin und Familie sowie saisonale Kräfte zum Beispiel für die Ernte, Auslieferung etc.. Außerdem befreundete Unternehmer, mit denen ich mich austauschen kann und die mir wertvolle Tipps geben.

Wenn du deinem Früheren ich, bevor du die Lehre zum Brauer & Mälzer, vor dem Studium oder bevor du mit der Firma Vollzeit losgelegt hast, begegnen könntest, was würdest du ihm sagen? Was würdest du anders machen?

Ich würde mich darauf hinweisen, dass die Pläne, die man sich in der Theorie ausarbeitet wie die Selbstständigkeit aussieht, in der Praxis so nicht funktionieren. Im Studium noch in der Ausbildung wurden diese Dinge erwähnt.
Man ist eine Eierlegendewollmilchsau. Ich würde mich drauf hinweisen, dass ich ganz viel Verwaltung und Bürokratie machen muss.
Anders würde ich nichts machen.

Bei den Likören bekommst du viel Zuspruch, weil es kaum einer in der Qualität und Vielfalt anbietet. Bei den Bränden, weil du dein Handwerk verstehst und es sich im Geschmack widerspiegelt. Warum wolltest du jetzt auch noch Whisky machen? Es gibt schon so viele Sorten.

Whisky reizt mich besonders, weil die Bierherstellung und die Whiskyherstellung sehr ähnlich sind und das mein Grundhandwerk ist. Whisky stellen aber trotzdem vergleichsweise Wenige in Deutschland her, da es lange Vorlaufzeiten benötigt. Man geht jahrelang nur in Vorkasse, bis das Produkt schlussendlich verkauft werden kann. Klar existieren weltweit viele Hersteller, die aber vor allem an große Konzerne gebunden sind. Es gibt nur wenige Kleine.
Deshalb reizt es mich.
Obwohl die Herstellung für Obstbrände und Whisky ähnlich sind, hat Whisky ein anderes Standing. Die Leute sind nicht bereit, für einen Obstbrand das zu bezahlen, was er wert ist. Bei einem Whisky schon.

Werden wir bald auch Sächsischen Rum oder Gin bekommen?

Rum auf jeden Fall. Es sind schon die ersten Destillate eingelagert. Durch den Whisky habe ich ein gutes Fassmanagement. Davon eignen sich einige Fässer ideal, um den Rum darin auszubauen.
Aktuell produziere ich keinen eigenen Gin. Nur Gin für Kunden.

Wenn du in die Zukunft schaust, welches Produkt würde dich reizen?

Destillate und Geiste aus einzelnen ganz speziellen Kräutern. Jedoch weniger für den normalen Konsum. Eher zum Thema Mixen von hochwertigen Cocktails oder in der Küche bei der Zubereitung von Speisen.

Was wäre dir noch wichtig?

Was man nicht vergessen darf, es macht mir Spaß und ich mache es aus Überzeugung. Es ist eine Firma, die betriebswirtschaftlich sinnvoll wirtschaften muss.
Es gibt viele Dinge, die Spaß machen. Man darf allerdings die Wirtschaftlichkeit nicht aus den Augen verlieren, um langfristig erfolgreich zu sein.